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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der 19## geborene Kläger ist Rechtsanwalt. Er nimmt die Beklagten als Gesellschafterinnen der H GbR wegen behaupteter Falschberatung bezüglich Kapitalanlagen in Anspruch.
3Am ##.08.2006 suchte der Kläger die Beklagte zu 1. erstmals zu einem Beratungsgespräch auf. Das hierüber erstellte "Beratungsprotokoll Erstgespräch" (Anlage K # zur Klageschrift) enthält u.a. folgende Angaben:
4Als Anlagewunsch wurde eine Einmalanlage von 100.000,-€ genannt. Als Ziel wurden "Vermögensaufbau" und "Rentenvorsorge" angekreuzt. Handschriftlich wurde dazu vermerkt: "Entnahme von 1.000.- in 10 J., evtl. Immoerwerb". Als Anlagehorizont wurde "ab 10 Jahren" angekreuzt sowie "strukturiert". Erfahrungen in Fonds und Aktien wurden bejaht.
5In der Kategorie "Risikoverhalten bisher" wurden drei Kreuze gesetzt, je eines bei den Rubriken "eher konservativ" und "Risikobewusst" und eines zwischen den beiden Rubriken. Gefragt nach den Prioritäten der jetzigen Anlagen wurde "langfristiger Wertzuwachs" angekreuzt. Als Kosten für einen Anlagevorschlag wurden 0,39 % des Anlagevolumens eingetragen, die entfielen, wenn die Provision für die Beklagten aus den Anlagen höher war.
6Der Kläger erhielt das von den Beklagten anhand der Angaben im Erstgespräch erarbeitete Anlagekonzept unter dem ##.09.2006 (Anlage K # zur Klageschrift). Auf Seite # des Konzepts waren die Angaben aus dem Beratungsprotokoll aus Sicht der Beklagten zusammengefasst. Zur Risikobereitschaft hieß es hier "Risikobewusst, mittel". die Empfehlung lautete auf "Investmentfondsportfolio strukturiert / Geldmarktfonds / Renten- und offene Immobilienfonds / geringe Aktienfondsbeimischung". Das Anlagekonzept enthielt allgemeine Erklärungen zu Versicherungen und Investmentfonds etc. und schließlich Kaufvorschläge für den Kläger im Gesamtwert von 113.800,-€, die auf einer Mischung von offenen Immobilien- und Rentenfonds (65 %), genannt Sicherheitssockel, sowie Aktienfonds (max. 35 %) beruhten. Im Vorschlag war der streitgegenständliche Fonds N nicht enthalten. Das Anlagekonzept enthielt auch eine Seite mit der Überschrift "Häufig gestellte Fragen" Hier war auch die Frage "Wie sieht Ihre weitere Betreuung aus?" aufgeführt. Darunter war vermerkt: "Über unsere Börsensoftware bewerten wir Ihr Depot regelmäßig und senden Ihnen das Ergebnis zu. Wir bauen darauf, dass wir entscheidende Änderungen in der Ausgangssituation möglichst früh erfahren, um gemeinsam mit Ihnen reagieren zu können".
7Am ##.03.2007 unterzeichnete der Kläger nach einem weiteren Gespräch mit den Beklagten den Auftrag gegenüber der G GmbH zum Kauf von Anteilen an verschiedenen Investmentfonds für insgesamt 96.000,-€, u.a. für 8.000,-€ Anteile am streitgegenständlichen Immobilienfonds N und für 12.000,-€ Anteile am streitgegenständlichen Immobilienfonds B. Der Anteil an Aktienfonds war hier im Vergleich zum schriftlichen Vorschlag aus September 2006 verringert worden. Auf offene Immobilienfonds entfielen nun insgesamt 45.000,-€ von den 96.000,-€. Im Auftragsformular war über der Unterschrift des Klägers eine Spalte angekreuzt, in der es hieß: Ich habe/wir haben den jeweiligen Verkaufsprospekt, den jeweiligen Jahresbericht und – sofern dieser älter als acht Monate ist – den zugehörigen Halbjahresbericht erhalten.". Gegenüber der G wurde die Strategie des Klägers mit "wachstumsorientiert" bezeichnet. Mit der Auftragsannahme erhielt der Kläger von der G GmbH die "Basisinformationen für eine Vermögensanlage in Investmentfonds" in denen das Risiko einer Aussetzung der Rücknahme von Anteilsscheinen bei Sondervermögen bei Investmentfonds erwähnt war.
8Am ##.09.2008 rief der Kläger bei der Beklagten zu 1. und verwies u.a. auf Kurseinbrüche bei dem in seinem Depot befindlichen offenen Immobilienfonds T. Er fragte, ob er das Depot umstrukturieren solle oder die Anteile verkaufen solle. Die Beklagten erklärten am selben Tag in einem Schreiben:
9Am ##.10.2008 wurde beim T die Rücknahme zunächst nur für 7 Monate ausgesetzt. Bei den streitgegenständlichen Fonds wurde die Rücknahme ebenfalls Ende Oktober 2008 ausgesetzt. Bei beiden Fonds wurde nach Verlängerung inzwischen deren Auflösung bekannt gegeben.
11Die Anteile an zwei anderen offenen Immobilienfonds verkaufte der Kläger im Jahre 2010, jeweils bevor weitere Aussetzungen erfolgten.
12Der Kläger meint, die Empfehlung für offene Immobilienfonds habe nicht seinen Anlagewünschen entsprochen, denn unstreitig habe er für die Anlage vorgegeben, ab Erreichen des 65. Lebensjahres seinen Lebensunterhalt durch monatliche Entnahme von 1.000,-€ aufstocken zu wollen. Dieses Ziel sei aber mit offenen Immobilienfonds nicht sicher zu erreichen. Es sei eine Aufklärung über die gesetzlich zulässige Möglichkeit der Aussetzung der Rücknahme von Anteilen erforderlich gewesen, diese ist nach Behauptung des Klägers nicht erfolgt. Er habe auch keine Prospekte erhalten. Zwar habe er dies beim Kaufauftrag durch Unterschrift bestätigt, er habe die Passage zur Bestätigung des Prospekterhalts jedoch überlesen. Im Jahre 2007 habe er auch noch keine Kenntnis über die nach dem Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Aussetzung gehabt. Der Kläger meint, die Beklagten hätten ihm jedenfalls am ##.09.2008 zum Verkauf raten müssen, zu dem Zeitpunkt wäre der Verkauf noch möglich gewesen. Hierauf gründet sein Hilfsantrag.
13Der Kläger beantragt,
141. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 20.000,-€ Zug um Zug gegen Übertragung der am ##.03.12007 erworbenen Anteile an den Fonds B (&&& ######; G, Depotnummer ##########, Betrag 12.000,-€) und N (&&& $#$#$#; G, Depotnummer ##########, Betrag 8.000,-€) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ##.03.2007 zu zahlen;
15hilfsweise festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund der Schlechterfüllung des Anlageberatungsvertrages vom ##.09.2008 im Hinblick auf die am ##.03.2007 erworbenen Anteile an den Fonds B (&&& ######; G, Depotnummer ##########, Betrag 12.000,-€) und N (&&& $#$#$#; G, Depotnummer ##########, Betrag 8.000,-€) entstanden ist;
162. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 285,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (Tag der Zustellung ##.06.2011) zu zahlen.
17Die Beklagten beantragen,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagten behaupten, der Kläger sei vor Zeichnung anhand der Prospekte umfassend aufgeklärt worden. Bei dem Anlagekonzept sei Infomaterial und eine CD über die insgesamt genannten Fonds beigefügt gewesen. Hierin sei auch das Risiko der Aussetzung erläutert. Die Beklagten meinen, der Kläger habe als Rechtsanwalt, der auf seiner Homepage mit Beratung im Kapitalanlagerecht werbe, ohnehin nicht der Aufklärung hierüber bedurft.
20Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die Klage ist aus dem Haupt- und dem Hilfsantrag unbegründet.
231. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB des Anlageberatungsvertrages auf Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Übertragung der Anteile an den streitgegenständlichen offenen Immobilienfonds.
24Unstreitig haben die Parteien am ##.08.2006 einen Beratungsvertrag über eine Vermögensanlage geschlossen. Dieser Vertrag verpflichtete die Beklagten, den Kläger entsprechend seinen Vorgaben und Kenntnissen, d.h. anlegergerecht, zu beraten. Des Weiteren mussten sie ihn in Bezug auf die von ihnen empfohlenen Produkte über alle Umstände und Risiken, die für die Anlageentscheidung Bedeutung haben, richtig und vollständig, d.h. anlagegerecht, informieren. Eine Empfehlung muss bei einer ex-ante-Betrachtung vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. BGH XI ZR 63/05, Urteil vom 21.03.2006, NJW 2006, 2041).
25Entgegen der Auffassung des Klägers widersprach die von den Beklagten empfohlene Zusammensetzung der einzelnen Anlagen nicht seiner Risikoeinstellung und seinem Anlageziel.
26Der Kläger hatte eine Vorgabe für die künftige Vermögensentwicklung gemacht, die mit einer rein konservativen Anlagestrategie nicht zu erreichen war. Es war ausgerechnet worden, dass eine Rendite von 5-6 % p.a. erzielt werden müsse. Der von ihm geäußerten Risikobereitschaft, die zwischen "eher konservativ" und "risikobewusst" lag, trugen die Beklagten Rechnung, in dem ihr Vorschlag lautete, nur bis zu 35 % Aktien(fonds)anteile zu wählen und im Übrigen wegen des Sicherheitsaspektes auf offene Immobilien- und Rentenfonds zu setzen. Diese Strategie war vor dem Hintergrund des langfristigen Anlagehorizonts bei der gebotenen ex ante-Betrachtung nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Beratung und der Kaufentscheidung sprachen für offene Immobilienfonds die geringen Wertschwankungen und die über Jahre hinweg erzielbaren Renditen. Vorteil war auch die Streuung auf verschiedene Fonds, so dass das Risiko des Ausfalls eines Fonds teilweise ausgeglichen werden konnte.
27Die Empfehlung eines offenen Immobilienfonds widersprach jedenfalls zum Anlagezeitpunkt nicht der Risikoeinstellung des Klägers. So hat der Gesetzgeber in §§ 87, 88 InvG für Altersvorsorge-Sondervermögen ausdrücklich den Erwerb von Immobilien-Sondervermögen nach Maßgabe der §§ 66 ff. InvG vorgesehen. Der Umstand, dass bei etlichen offenen Immobilienfonds im Zuge der Finanzkrise ab Sommer/Herbst 2008 die Anteilsrücknahme ausgesetzt wurde und hierdurch eine andere Bewertung der Ertragschancen erfolgt ist, ist für die Frage der Schadensersatzpflicht der Beklagten unerheblich; dieses Risiko trägt der Kläger als Anleger.
28Die Beklagten durften im Übrigen davon ausgehen, dass der Kläger seine Anlageentscheidung nach gründlicher Abwägung traf. Wie die Anhörung der Parteien ergeben hat, folgte nach der Übersendung des Anlagekonzeptes im September 2006 im März 2007 ein persönliches Gespräch, in dem die Gewichtung der zu investierenden Anteile besprochen wurde, bevor der Kläger die konkrete Kaufentscheidung traf.
29Ob der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 bereits die Kenntnis darüber besaß, dass nach § 81 InvG auf die Dauer nach zwei Jahren die Rücknahme von Anteilen ausgesetzt werden darf, um das Immobilien-Sondervermögen in seinem Bestand und seiner Bewirtschaftung nicht zu gefährden, kann offen bleiben.
30Selbst wenn der Kläger vor Unterzeichnung der Kaufaufträge die Prospekte nicht erhalten haben sollte, und zwar weder in Papierform noch auf CD, wären die Beklagten im März 2007 nicht zur Aufklärung verpflichtet gewesen. Wie dargestellt, ist der Berater nur verpflichtet, über die wesentlichen Umstände zu informieren. Risiken rein theoretischer Natur müssen nicht erwähnt werden. Im März 2007 war das Risiko, dass es zur Aussetzung der Rücknahme über den gesetzlich zulässigen Zeitraum und in Folge sogar zur Abwicklung der Fonds kommen würde, nicht absehbar. Erfahrungen aus der Vergangenheit fehlten. Im Jahre 2005/2006 war es zwar zu kurzzeitiger (weit unterhalb der zulässigen Höchstdauer) Aussetzung für Rücknahmen bei wenigen Fonds gekommen, hierdurch hatte sich aber keine nachhaltige Gefährdung für die Anleger ergeben.
312. Die Klage hat auch aus dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen hat der Kläger gemäß § 280 Abs. 1 BGB keinen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen einer Beratungspflichtverletzung im September 2008.
32Die Beklagten hatten in ihrem Anlagekonzept als Service dargestellt, dass sie das Depot zukünftig beobachten und Vorschläge machen würden, um frühzeitig zu reagieren. Indem die Beklagten auf die Anfrage des Klägers eingingen, mag dies zwar als neuer Beratungsvertrag gewertet werden, eine Verletzung von Pflichten ist aber nicht festzustellen. Auch hier ist wiederum auf die gebotene ex-ante-Betrachtung abzustellen. Im September 2008 waren die Beklagten ebenso wenig wie der Kläger in der Lage, die zukünftige Entwicklung der Geldanlagen vorherzusehen, was auch dem Kläger bekannt war. Beide Fonds waren am ##.09.2008 im Kurs um rund 1,- € pro Anteil gefallen, ein Verkauf und Neuinvestition hätte Kosten nach sich gezogen. Zu der hier gewählten und vom Kläger auch gewollten langfristigen Strategie gehörte es ersichtlich dazu, Krisenzeiten auch einmal "auszusitzen".
333. Mangels Schadensersatzanspruches in der Hauptsache kann der Kläger auch nicht Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen.
344. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, § 709 S. 1 und 2 ZPO.
35Streitwert: bis 25.000,-€ (Antrag zu 1. zuzüglich der als entgangenen Gewinn (Schaden) geltend gemachten Zinsen; der Hilfsantrag hat keinen eigenen wirtschaftlichen Wert)