Karlsruhe bewahrt freie Vermittler vor ungehemmtem Haftungsrisiko

23.04.2010 BGH-Entscheidung: Kick-Back-Rechtssprechung nur auf Banken anwendbar.
Die so genannten „Kick-Back“-Entscheidungen des Bundgerichtshofes (BGH) haben in jüngster Zeit für viel Aufregung in der Vermittlerbranche gesorgt. Die Richter in Karlsruhe haben damit die Pflicht für Finanzdienstleister begründet, Kunden bei der Vermittlung von Kapitalanlagen über eventuell erhaltene „Rückvergütungen“ („Kick-Backs“) aufzuklären. Der Zufluss von Rückvergütungen sei ein „aufklärungspflichtiger Interessenkonflikt“, so der BGH.

Spektakulär war dabei der Beschluss aus dem Januar 2009. Die Pflicht zur Aufklärung über Interessenkonflikten, die eigentlich nur für die Wertpapiervermittlung gilt, also z. B. bei Investmentfonds oder Zertifikaten, weitete das Gericht auch auf die Vermittlung von Produkten des unregulierten „Grauen Kapitalmarkt“, also auf geschlossenen Fonds aus.

Ein Verstoß gegen diese Aufklärungspflicht löst beim Kunden einen Anspruch auf Schadenersatz aus. Was Haftungsprozesse der Kunden stark vereinfacht. Denn wer sich auf eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht beruft, muss weder eine Fehlberatung beweisen, noch einen Kapitalverlust erlitten haben. Die „Kick-Back“-Grundsätze erlauben so grundsätzlich den jederzeitigen Produktausstieg, egal wie das Produkt läuft. „Eine brandgefährliche Ausgangslage für Vermittler. Die „Kick-Back“-Rechtsprechung ließ zudem bisher einige wichtige Fragen offen,“ so Rechtsanwalt Dietmar Goerz von der GPC Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. „Unklar waren dabei v. a. zwei Fragen: Was ist genau unter „Rückvergütungen“ zu verstehen und ist die Rechtsprechung nur auf Banken anwendbar,“ so Goerz.

Der BGH hat dann im Oktober 2009 festgestellt, dass aufklärungspflichtige Rückvergütungen nur dann vorliegen, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde zahlt, „hinter seinem Rücken“ an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen. Rechtsanwalt Goerz betont: „Grundsätzlich geht es darum, ob der Vermittler ein besonderes Interesse hat, dem Kunden ein bestimmtes Produkt zu empfehlen und ob dies für den Kunden erkennbar ist.“
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle aus dem Jahr 2009 sind die „Kick-Back“-Entscheidungen nicht auf, wie sich das Gericht ausdrückt, „allgemeine Anlageberater“, also auf freie Vermittler, die keine Bank sind, anwendbar. Bei einer Bank müsse der Kunde angeblich nicht damit rechnen, so die Niedersächsischen Richter, dass diese Rückvergütungen für ihre Vermittlungstätigkeit erhält. Bei Banken sei es eben möglich, dass die Anlageberatung nur eine (kostenlose) Serviceleistung im Rahmen der Kunden-Bank-Beziehung ist. Bei freien Vermittlern sei demgegenüber für den Kunden klar erkennbar, dass diese sich über Provisionen aus den vermittelten Geschäften finanzieren und daher auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Vermittlung haben. „Auch wenn die Begründung heutzutage etwas lebensfern erscheint, so ist sie im Ergebnis äußerst positiv für freie Vermittler,“ meint Goerz.

Der Ansicht des OLG Celle haben sich nach ersten Presseberichten nunmehr augenscheinlich die Karlsruher Richter angeschlossen. „Zwischen den Zeilen der bisherigen Kick-Back-Rechtsprechung war ein immenser Groll gegen das Vertriebsverhalten der Banken heraus zu lesen. Hier sollte wohl die Branche diszipliniert werden. Dieser Groll hätte auch leicht die freien Vermittler treffen können. Diese wären dann einem ungehemmten Haftungsrisiko ausgesetzt,“ meint Goerz.

Freude über eine Verschonung der freien Vermittler vom „Kick-Back“-Unheil hält der auf die Beratung von Vertriebsunternehmen spezialisierte Berliner Anwalt aber für verfrüht. Denn es gäbe bisher nur Kolportage aus der mündlichen Verhandlung und es liege noch keine Urteilsbegründung vor. „Die Einschränkung der der BGH-Rechtsprechung erscheint weniger wundersam, wenn man bedenkt, dass sich mit der Materie zwei unterschiedliche Senate des BGH befassen. Die Rechtsprechung zeigt, dass sich der 11. Senat (auch Bankensenat genannt) und der u. a. für Beratungsverträge zuständige 3. Senat oft uneins sind,“ so Goerz. „Die aktuelle Entscheidung ist vom 3. Senat. Grundsätzlich könnte das Thema noch vom 11. Senat aufgeweicht werden.“ Rechtsanwalt Goerz rät daher: „Bestehen besondere Vertriebsanreize dafür ein bestimmtes Produkt zu vermitteln und sie diese nicht ohne Weiteres erkennbar, sollten sie dem Kunden gegenüber von dem offen gelegt werden, der haftungsrechtlich auf der sicheren Seite stehen will.“