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31.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102106

Saarländisches Oberlandesgericht: Urteil vom 27.01.2010 – 5 U 337/09

Von einem Versicherungsvermittler, der beauftragt wird, einen bestehenden Krankheitskostenschutz preisgünstiger zu gestalten, ist zu erwarten, dass er - regelmäßig durch Vorlage seiner Dokumentation - darlegt, wie er den Versicherungsnehmer über die damit verbundenen Risiken beraten hat. Vermag er keine oder lediglich eine unzulängliche Dokumentation vorzulegen, so trägt er die Beweislast für einen tatsächlich korrekt erfolgten Rat.


5 U 337/09-82

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2009 unter Mitwirkung des Präsidenten des Saarländischen Oberlandesgerichts Prof. Dr. Rixecker, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Knerr und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Müller für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 28.05.2009 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 2/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.950 Euro festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche gemäß § 42 e VVG a.F. wegen Verletzung von Beratungspflichten aus einem Versicherungsvermittlungsvertrag geltend.

Die Beklagte als Versicherungsmaklerin betreute den Kläger seit dem Jahr 2002. Der Kläger, von Beruf selbstständiger Möbelrestaurator und Antiquitätenhändler, unterhielt bei der H.-Krankenversicherung aG eine bereits langjährig bestehende - allerdings nicht von der Beklagten vermittelte - Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung (Versicherungsscheinnr. ...), deren Monatsbeitrag sich auf 385,16 Euro belief. Der Versicherungsschutz des Klägers umfasste unter dem Tarif AS3 die Kosten ambulanter Behandlung bei einem Selbstbehalt von 1.000 Euro Jahr, unter dem Tarif P3 die Regelleistungen bei Krankenhausaufenthalten, unter dem Tarif PKE die Mehrkosten für die Unterbringung im Einbettzimmer sowie die Chefarztbehandlung und unter dem Tarif T22/76 69 Krankentagegeld ab dem 22. Tage; der Tarif PVN betraf die Pflegeversicherung (Bl. 75, 69/70 d.A.). Im Jahr 2007 wandte der Kläger sich unter Vorlage des Nachtrags zum Versicherungsschein vom November 2006 (Bl. 75 d.A.) an die Beklagte, da er eine Abänderung seines Krankenversicherungsschutzes mit dem Ziel einer geringeren monatlichen Beitragslast wünschte und erteilte dieser hierzu einen Maklerauftrag (Bl. 9 d.A.). Am 18.6.2007 fand ein Gesprächstermin mit dem Ehemann der Beklagten, dem Zeugen M. J. statt, in dem die beabsichtigte Umstellung des Versicherungsschutzes erörtert wurde. Unstreitig berichtete der Kläger dabei von seinen Plänen, mit seiner Ehefrau nach Thailand auszuwandern. Im Übrigen sind Inhalt und Umfang des Gesprächs zwischen den Parteien streitig.

Der Zeuge J. nahm in dem Termin auf der Rückseite des Nachtrags folgenden von ihm selbst und dem Kläger unterzeichneten handschriftlichen Vermerk auf:

"Bk 19.06.2007

Es erfolgte bezüglich des KV Vertrags keine Beratung!

Herr B. wünscht eine Umstellung in Start Fit mit 300 SB ohne weitere Zusatz-Versicherungen!

KVG2

PVN"

Mit Schreiben der Beklagten vom 18.6.2007 (Bl. 76 d.A.) wurde der Versicherer gebeten, die Krankenversicherung des Klägers auf die beiden genannten Tarife umzustellen; darüber hinaus war das Schreiben mit dem handschriftlichen Zusatz "und alle anderen Tarife bitte ausschließen" versehen. Entsprechend wurde der Versicherungsschutz des Klägers gemäß dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 28.6.2007 (Bl. 77 d.A.) auf die beiden genannten Tarife - KVG2 und PVN - beschränkt. Der monatliche Prämienaufwand reduzierte sich hierdurch auf insgesamt 118,35 Euro.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe lediglich die Kosten für seinen damaligen Krankenversicherungsschutz einschränken, nicht aber seine Krankentagegeldversicherung kündigen wollen. Eine Beratung habe nicht stattgefunden. In einem Gespräch sei ihm lediglich mitgeteilt worden, was die neuen Tarife kosten wurden. Ihm, dem Kläger, sei aber nicht dargestellt worden, dass durch die Umstellung auf die beiden neuen Tarife gleichzeitig seine Krankentagegeldversicherung komplett aufgelöst werden würde. Da der Versicherungsschein lediglich der Beklagten übersandt worden sei, habe er dies erst bemerkt, nachdem er ab dem 7.4.2008 arbeitsunfähig erkrankt war. Aus dem von ihm unterzeichneten Vermerk vom 18.6.2007 ergebe sich nichts Gegenteiliges Die Krankentagegeldversicherung, die eine eigene Absicherung der Arbeitsfähigkeit für Selbstständige beinhalte und gerade nicht auf die Krankheitskosten ausgerichtet sei, werde im allgemeinen Sprachgebrauch nicht unbedingt von dem Begriff "Zusatzversicherung" umfasst. Der Vermerk enthalte auch weder einen Verzicht auf Beratung, noch erfülle er die Anforderungen an die den Versicherungsmakler treffende Dokumentationspflicht. Sein angebliches Einverständnis mit dem Ausschluss der Krankentagegeldversicherung lasse sich auch nicht mit seinen Plänen erklären, nach Thailand auszuwandern. Der Umstand, dass der tatsächlich vermittelte Versicherungsschutz bei längerem Auslandsaufenthalt erlösche, belege eindeutig, dass diese Pläne bei der Beratung durch den Zeugen J. keinerlei Rolle gespielt hätten. Durch die fehlerhafte Beratung bzw. fehlerhafte Regelung habe er seinen Anspruch auf Krankentagegeld für den Zeitraum vom 29.4. bis 31.10.2008 verloren. Ausgehend von einem Tagessatz von 75 Euro ergebe sich hieraus einen Gesamtbetrag von 13.950 Euro, den die Beklagte ihm als Schadensersatz zu erstatten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.950 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.11.2008 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 899,40 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die Verletzung von Pflichten aus dem Maklervertrag, weil die Krankentagegeldversicherung des Klägers auf dessen ausdrücklichen Wunsch und gegen den Rat des Zeugen J. aufgehoben worden sei. Im Einzelnen hat sie vorgetragen, der Kläger habe sich für den günstigsten Tarif seines Versicherers interessiert und nach dessen Kosten gefragt. Diese Frage habe der Zeuge J. nicht ohne Rückfrage bei dem Versicherer beantworten können, weil dabei die lange Versicherungsdauer des Klägers (seit 1.4.1987) und dessen Lebensalter eine Rolle gespielt hätten. Es sei deshalb ein Angebet über den Start-Fit-Tarif - Tarif PVN (Pflegeversicherung wie bisher) sowie Tarif KVG2 - eingeholt worden, dessen Leistungsumfang in etwa demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Selbstbehalt von 300 Euro entspreche, Auf der Grundlage dieses ihm übermittelten Angebots habe der Kläger sich entschieden, nur das absolut notwendige Minimum - nämlich die beiden genannten Tarife - weiter zu versichern. In dem Gespräch vom 18.6.2007 habe der Zeuge J. dem Kläger den Umfang des Versicherungsschutzes erläutert und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einer Reduzierung des Versicherungsschutzes auf diesen Tarif eine spätere "Wiederaufstockung" nicht ohne erneute Gesundheitsprüfung möglich sei, was insbesondere auch für die Krankentagegeldversicherung gelte. Noch vor Absendung des an den Versicherer gerichteten Schreibens vom 18.6.2007 (Bl. 76 d.A.) habe der Zeuge J. den Kläger erneut gewarnt und gebeten, seine Entscheidung zu überdenken. Darauf habe der Kläger unmissverständlich geäußert, er wünsche keinerlei Zusatzversicherungen, auch nicht hinsichtlich des bisher versicherten Krankentagegeldes. Hintergrund dieses Wunsches sei gewesen, dass der Kläger seinerzeit beabsichtigt habe, seine selbstständige Berufstätigkeit in Deutschland aufzugeben und nach Thailand zu verziehen; er sei augenscheinlich davon ausgegangen, dass Verdienstausfallrisiko, welches er bislang als Selbstständiger getragen hatte, künftig nicht mehr absichern zu müssen. Aufgrund der Äußerungen des Klägers habe der Zeuge G. dem bereits vorbereiteten Schreiben vom 18.6.2007 den handschriftlichen Zusatz "und alle anderen Tarife bitte ausschließen" hinzugefügt. Da der Kläger keine weiteren Zusatzversicherungen gewünscht habe, habe es insoweit einer weitergehenden Beratung nicht bedurft. Im Übrigen habe der Zeuge J. dem Kläger eingehend erläutert, welche Leistungen nach der Reduzierung noch vom Versicherungsschutz umfasst gewesen seien und welche nicht. Der Ausschluss der Krankentagegeldversicherung sei deshalb weder infolge unzureichender Beratung noch gar gegen den Willen des Klägers erfolgt. Ungeachtet dessen sei die Klage auch der Höhe nach übersetzt, weil der Kläger ab dem 1.7.2007 die monatlichen Beiträge zu Krankentagegeldversicherung in Höhe von 56,34 Euro erspart habe, was für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von insgesamt 18 Monaten einen Betrag in Höhe von 1.014,12 Euro ergebe. Das Landgericht hat die Klage mit am 28.5.2009 verkündetem Urteil (Bl. 130 d.A.) nach informatorischer Anhörung des Klägers und Vernehmung der Zeugen J. und G. abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von einer Verletzung der Beratungspflicht ausgegangen werden könne.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er die Beweiswürdigung durch das Landgericht rügt, das zwar eine non-liquet-Situation festgestellt, hieraus aber nicht die zutreffende beweisrechtliche Folgerung zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten gezogen habe. Des Weiteren habe es offensichtliche Widersprüche zwischen den Aussagen der beiden Zeugen J. und G. übergangen. So habe der Zeuge G. angegeben, der Gesprächstermin habe über eine Stunde gedauert; dies sei weder mit der Aussage des Zeugen J. noch mit den Angaben des Klägers kompatibel. Ein weiterer eklatanter Verstoß gegen Beweiswürdigungsgrundsätze liege in der fehlenden Auseinandersetzung mit dem handschriftlichen Vermerk vom 18.6.2007, wonach keine Beratung stattgefunden habe. Da die Absicherung des Einkommens im Krankheitsfall von wesentlicher Bedeutung sei, habe es insoweit eingehender Aufklärung bedurft.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 28.5.2009 - 14 O 209 - zu verurteilen

1. an den Kläger 13.950 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.11.2008 zu zahlen;

2. an den Kläger Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 899,40 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Landgerichts für richtig und verteidigt insbesondere die Beweiswürdigung durch das Landgericht. Im Übrigen verkenne der Kläger, dass eine eingehende Beratung über die Folgen einer Kündigung des Krankentagegeldversicherungstarifes weder erforderlich noch geboten gewesen sei. Dass hiermit der Verlust von Ansprüchen auf Versicherungsleistungen einhergehe, liege auf der Hand. Dass über die Krankentagegeldversicherung überhaupt nicht gesprochen worden sein solle, stehe in Widerspruch zu dem Wunsch des Klägers. seine Beitragslast soweit wie möglich zu reduzieren. Gegen die Annahme einer Kündigung gegen den Willen des Klägers spreche das Interesse der Beklagten, einen Verlust von Bestandspflegeprovisionen möglichst zu vermeiden.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen werden kann, die eine Schadensersatzpflicht hatte auslösen können.

1. Weil der streitgegenständliche Versicherungsfall sich auf einen bis zum 31.12.2007 geschlossenen Vertrag bezieht und nicht nach dem 31.12.2008 eingetreten ist, ist für die rechtliche Beurteilung vorliegend das VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung einschlägig (Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG). Das Landgericht hat als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Klägers zutreffend die mit dem Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts vom 19.12.2006 (BGBl I 2006, 3232) eingeführte Vorschrift des § 42 e VVG a.F. - nach Art. 4 des vorgenannten Gesetzes in Kraft getreten am 22.5.2007 - herangezogen, die später ohne inhaltliche Änderung in die Vorschrift des § 63 VVG n.F. übernommen wurde.

Danach ist der Versicherungsmakler als Versicherungsvermittler im Sinne dieser Regelung (§ 42 a Abs. 3 VVG a.F.) zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung von - hier allein in Betracht kommenden - beratungsbezogenen Pflichten nach § 42 c VVG a.F. entsteht. § 42 c Abs. 1 VVG a.F. schreibt die in der Rechtsprechung bereits entwickelte Pflicht des Versicherungsmaklers (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 5.12.2001 - 5 U 903/00, VersR 2003. 195) fest, den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder nach der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und sachgerecht und angemessen zu beraten. Außerdem hat er dies unter Angabe der Gründe für den von ihm erteilen Rat zu dokumentieren.

a) Unstreitig hatte der Kläger die Beklagte unter Vorlage eines Nachtrags zum Versicherungsschein über den bislang bestehenden Krankenversicherungsschutz mit dem Anliegen einer Reduzierung der Prämienbelastung aufgesucht. Bezogen auf diesen Anlass war die Beklagte deshalb verpflichtet, dem Kläger die Möglichkeiten für Einsparungen aufzuzeigen und auf die hiermit jeweils verbundenen Risiken hinzuweisen, soweit sich diese dem Kläger nicht ohne weiteres offenbarten.

b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte diese Aufklarungs- und Informationspflicht verletzt hätte.

aa) Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, folgt dies aber nicht bereits daraus, dass der Kläger auf Beratung gänzlich verzichtet hätte Ungeachtet der Frage, ob der von dem Kläger unterzeichnete handschriftliche Vermerk des Zeugen J. "Es erfolgte bezüglich des KV Vertrags keine Beratung! Herr B. wünscht eine Umstellung in Start Fit mit 300 SB ohne weitere Zusatz-Versicherungen" unter Berücksichtigung der Gesamtumstände überhaupt als Verzichtserklärung des Klägers gewertet werden könnte, erfordert ein (wirksamer) Verzicht nach § 42 c Abs. 2 VVG a.F. den ausdrücklichen Hinweis des Versicherungsvermittlers, dass ein solcher sich nachteilig auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers auswirken könne, gegen den Versicherungsvermittler einen Schadensersatz nach § 42 e VVG a.F. geltend zu machen. Hieran fehlt es jedoch.

bb) Zwar trägt im Grundsatz der Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Beratungspflicht (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23.5.2007 - IV ZR 93/06, VersR 2007, 1411). Allerdings sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen heranzuziehen (vgl. BT-Drucks. 16/1935, S. 25, 26). Von dem Versicherungsvermittler kann deshalb zumindest - im Sinne einer sekundären Darlegungslast - verlangt werden, dass er darlegt, inwieweit er den Versicherungsnehmer informiert, aufgeklärt und beraten haben will (vgl. Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 18 a Rdn. 47); dies wird ihm mit Blick auf die ihm gesetzlich auferlegte Dokumentationspflicht i.d.R. unschwer gelingen. Verletzt er seine Pflicht, den erteilten Rat und seine Gründe zu dokumentieren und dies dem Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss zu übermitteln (§§ 42 c Abs. 1 Satz 2, 42 d Abs. 1 VVG a.F.), so erscheint es gerechtfertigt, ihm das beweisrechtliche Risiko aufzuerlegen und dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zuzubilligen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/1935, S. 25, 26; Rixecker in Beckmann/Matusche-Beckmann, aaO.; Reiff, Das Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts, VersR 2007, 727).

(1) Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Sie hat im Einzelnen vorgetragen, dass der Kläger zu Einsparung von Prämien gewünscht habe, nur das absolut notwendige Minimum an Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Der Umfang der deshalb ins Auge gefassten Tarife sei ihm von dem Zeugen J. erläutert worden, der ausdrücklich auch die Krankentagegeldversicherung erwähnt und unter Hinweis auf die sich aus einer erneuten Gesundheitsprüfung ergebenden Schwierigkeiten einer späteren "Wiederaufstockung" von einer Kündigung abgeraten habe. Dem Kläger sei eingehend erläutert worden, welche Leistungen nach der Reduzierung seines Versicherungsschutzes noch vom Versicherungsschutz umfasst gewesen seien und welche nicht.

Dies stellt nach Inhalt und Umfang eine sachgerechte Aufklärung und Beratung dar Dass mit dem Ausschluss der Krankentagegeldversicherung das Verdienstausfallrisiko des selbstständig tätigen Klägers nicht mehr abgedeckt war, lag auf der Hand und löste deshalb keine besondere Hinweispflicht der Beklagten aus. Dass deren Bedeutung dem Kläger auch tatsächlich bewusst war, ergibt sich aus dessen persönlicher Anhörung durch das Landgericht (Bl. 117 d.A.).

(2) Darüber hinaus obliegt der Beklagten nach den oben dargelegten Grundsätzen auch der Nachweis der Richtigkeit ihrer Schilderung, weil sie ihrer Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Welchen Umfang und welchen Inhalt die vom Gesetz verlangte Dokumentation haben muss, bedarf im konkreten Fall keiner Entscheidung.

Die Dokumentation der Beklagten im Zusammenhang mit der übernommenen Vermittlertätigkeit beschränkte sich nämlich auf den handschriftlichen Vermerk des Zeugen J. vom 18.6.2007 (Bl. 8 d.A.), der lediglich den (angeblichen) Wunsch des Klägers festhielt, seine Krankenversicherung in die Tarife KVG2 und PVN "ohne weitere Zusatz-Versicherungen" umzustellen und im Übrigen feststellte, dass eine Beratung nicht stattgefunden habe. Eine Dokumentation der angeblich erteilten Informationen sowie der angeblich ausgesprochenen Empfehlungen und Warnungen fehlt somit gänzlich. Das führt zwar nicht dazu, dass zwingend davon ausgegangen werden muss, eine Beratung habe auch tatsächlich nicht oder nur in dem festgehaltenen Umfang stattgefunden. Vielmehr kann der Versicherer, den dann allerdings die Beweislast trifft, auch dann den Beweis führen, dass er über die Dokumentation hinaus oder abweichend von ihr beraten hat.

(3) Dieser Nachweis ist der Beklagten jedoch gelungen. Der Senat ist nach dem Ergebnis der wiederholten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte ihrer Beratungspflicht nachgekommen ist und dass der mit der Umstellung der Versicherungstarife verbundene Wegfall der Krankentagegeldversicherung dem - nach hinreichender Aufklärung und Beratung getroffenen - Entschluss des Klägers entsprach.

Der Zeuge hat das Vorbringen der Beklagten sowohl in der Beweisaufnahme durch das Landgericht als auch in der wiederholten Beweisaufnahme durch den Senat vollumfänglich bestätigt. Im Einzelnen hat er angegeben, dass der Kläger seinen Krankenversicherungsschutz unter Hinweis auf seine Pläne, nach Thailand auszuwandern, auf die billigsten Tarife habe umstellen wollen; dieser habe berichtet, in Thailand bereits eine Fischfarm gekauft zu haben, mit der er dort Fuß fassen wolle. Deshalb sei dann ein Angebot des Versicherers über den günstigsten Tarif mit der Prospektbezeichnung "Start-Fit-Vertrag" eingeholt worden. Dabei handele es sich um eine Art Standard-Tarif, der besonders für Personen gedacht sei, die sich selbstständig machen wollten und ihre finanzielle Situation noch nicht so recht überblickten. Am 18.6.2006 sei das von dem Versicherer übersandte Angebot besprochen worden. Dabei habe er dem Kläger erläutert, dass er zurzeit den Top-Tarif plus Einzelbett und Chefarztbehandlung habe; des Weiteren sei eine "Lohnfortzahlung" im Krankheitsfall im Tarif gewesen. Er habe dem Kläger ferner gesagt, dass er mit dem Start-Fit-Vertrag nur noch den gesetzlichen Mindeststandard erhielte und ihn ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass damit Chefarztbehandlung und Krankentagegeld nicht mehr verbunden seien, sie aber als Zusatztarife gewählt werden könnten, was er ihm ausdrücklich empfohlen habe. Dies hätte dann statt 120 Euro etwa 2000 Euro gekostet und sei mithin immer noch viel günstiger als der ursprüngliche Tarif gewesen. Der Kläger habe aber geäußert, nur noch den absolut billigsten Versicherungsschutz zu wollen. Der Zeuge G., der am Schreibtisch gegenüber bereits begonnen habe, ein entsprechendes Schreiben an den Versicherer aufzusetzen, sei von ihm, dem Zeugen, deshalb instruiert worden, handschriftlich noch hinzuzusetzen, dass wirklich nur der Start-fit-Tarif und die Pflegeversicherung abgeschlossen werden sollten, Bei dieser Gelegenheit habe er den Kläger noch mal gewarnt, weil sein Plan in Thailand schiefgehen könne und er im Falle eines Wiedereinschlusses der Krankentagegeld- und der Zwei-Bett-Zimmer-Tarifregelung höhere Beiträge zahlen müsse. Dennoch habe der Kläger auf dem billigsten Tarif beharrt.

Diese ausführliche, lebensnahe und in sich stimmige Schilderung des Geschehens stimmt mit der Darstellung des Zeugen G. überein, der während des Gesprächs vom 18.6.2007 unstreitig ebenfalls anwesend war. Dieser hat erklärt, zwar nichts zu den Einzelheiten und dem genauen Wortlaut des Gesprächs sagen zu können. Er habe aber mitbekommen, dass dem Kläger seine Krankenversicherung zu teuer gewesen sei und er deshalb auf den günstigsten Versicherungsschutz habe umstellen wollen. Der Zeuge J. habe dem Kläger erklärt, welche Tarife man auswählen könne und welche Tarife bei dem billigsten Tarif, dem "Start-Fit-Vertrag", wegfielen. Auf Nachfrage des Senats hat der Zeuge erklärt, sich sicher zu sein, dass dabei auch über das Krankentagegeld gesprochen worden sei. Daran erinnere er sich deshalb noch, weil er das Schreiben vom 18.6.2007 an die Versicherung aufgesetzt habe. Dass der Zeuge - irrig - annahm, dass dieser Begriff auch in dem von ihm aufgesetzten Schreiben an den Versicherer Erwähnung gefunden habe, rechtfertigt keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben. Dieser Irrtum lässt sich nämlich ohne weiteres damit erklären, dass der Zeuge das Krankentagegeld als Zusatztarif ansah, der von seinem handschriftlichen Zusatz in dem Schreiben vom 18.6 2007 - "und alle anderen Tarife bitte ausschließen" - umfasst war. Auf erneute Nachfrage des Senats hat der Zeuge nachdrücklich daran festgehalten, dass der Begriff "Krankentagegeld" jedenfalls in dem Gespräch gefallen sei und hat sich sogar daran erinnern können, in welchem Zusammenhang - Plan des Klägers, ins Ausland zu gehen - dies geschehen ist Der Kläger habe den günstigsten Versicherungsschutz seines Versicherers haben wollen. Inwieweit sich aus der - in der Vernehmung durch den Senat wiederholten - Einschätzung des Zeugen G., das Gespräch habe über eine Stunde gedauert, ein Widerspruch zu der Schilderung des Geschehens durch den Zeugen J. ergeben soll, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

Demgegenüber hat der Kläger bei seiner informatorischen Anhörung zwar bestätigt, dass es ihm um einen möglichst günstigen Versicherungsbeitrag gegangen sei und er dabei auch von seinen Plänen berichtet habe, nach Thailand auszuwandern. Er habe die Chefarztbehandlung, den Zahnersatz und das Einzelbett konkret genannt; über das Krankentagegeld sei aber überhaupt nicht gesprochen worden.

Diese auf das Ergebnis des Gesprächs reduzierte Darstellung des Gesprächstermins vom 18.6.2007 vermag keine Zweifel an der Richtigkeit der überzeugenden Schilderung des Zeugen J. zu begründen, die in den entscheidenden Punkten durch die Angaben des Zeugen G. bestätigt wird. Ausgehend von der Zielsetzung der Prämienersparnis erscheint die Schilderung des Zeugen J. hinsichtlich der Erörterung des bestehenden und des künftigen Versicherungsschutzes schlüssig und plausibel. Insbesondere erscheint es naheliegend, dass jede einzelne der ursprünglichen Tarifpositionen auf die Möglichkeit von Einsparungen hin erörtert worden ist. Vor dem Hintergrund der Pläne des Klägers, unter Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit nach Thailand auszuwandern, macht auch die weitere Angabe des Zeugen J. Sinn, er habe dem Kläger unter Hinweis auf die Schwierigkeiten einer "Wiederaufstockung" zunächst zur Aufrechterhaltung der Krankentagegeldversicherung geraten, bis sich abgezeichnet habe, ob er ob er dort mit seinen Plänen, eine Fischfarm zu gründen, tatsächlich Fuß fassen kenne; ob der ausgewählte Versicherungsschutz für einen längeren Auslandsaufenthalt überhaupt geeignet gewesen wäre, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Ebenso erscheint es stimmig, dass der Zeuge G. dem bereits begonnenen Anschreiben an den Versicherer vom 18.6.2007 auf Aufforderung des Zeugen J. den handschriftlichen Zusatz "und alte anderen Tarife bitte ausschließen" hinzugefügt haben soll, nachdem der Kläger - entgegen dem ausdrücklich erteilten Rat - auf das absolut notwendige Minimum an Versicherungsschutz beharrt habe.

Die Behauptung des Klägers, über die Krankentagegeldversicherung sei überhaupt nicht gesprochen worden, überzeugt deshalb nicht. Ausgehend davon, dass dem Kläger daran gelegen war, den monatlichen Beitrag für den Krankenversicherungsschütz in Höhe von insgesamt 385,16 Euro soweit als möglich zu senken, erscheint es fernliegend, dass zwar über die Chefarztbehandlung, das Einbettzimmer und sogar über den Umfang des "Zahntarifes", nicht aber über das Krankentagegeld gesprochen worden sein soll, das mit einem monatlichen Beitrag von 56,34 Euro einen wesentlichen Anteil der monatlichen Belastungen des Klägers ausmachte. Der Kläger hat zu Beginn seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht selbst hervorgehoben, dass er der Krankentagegeldversicherung schon bei deren Abschluss wesentliche Bedeutung beigemessen habe.

Gegenteiliges folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus dem Inhalt des handschriftlichen Vermerks des Zeugen J. vom 18.6.2006. Dort heißt es: "Es erfolgte bezüglich des KV Vertrags keine Beratung! Herr B. wünscht eine Umstellung in Start Fit mit 300 SB ohne weitere Zusatz-Versicherungen! KVG2 PVN" Damit ist insbesondere nicht belegt, dass eine Beratung nicht erfolgt ist.

Der Zeuge J. ist bei seiner Vernehmung durch den Senat - irrig - davon ausgegangen, dass seinerzeit noch keine Dokumentationspflicht des Maklers bestanden habe. Den Inhalt des Vermerks hat er mit der - ebenso irrigen - Annahme begründet, dass es sich nicht um eine Beratung gehandelt habe, wie er sie sonst als Makler vornehme: seine Tätigkeit habe ja die Reduzierung von Versicherungsleistungen betroffen, für die er als Makler nichts vom Versicherer erhalte. Aus dieser Fehleinschätzung kann nicht geschlossen werden, dass tatsächlich keinerlei Beratung stattgefunden habe. Dies behauptet auch der Kläger nicht, der bei seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht selbst Einzelheiten der Erläuterungen des Zeugen J. über den Umfang des "Zahntarifes" geschildert hat. Der Senat hält deshalb die Erklärung des Zeugen J. für plausibel, er habe sich lediglich durch die Unterschrift des Klägers absichern wollen, dass dieser - entgegen dem Rat des Zeugen - die Umstellung auf die genannten Tarife gewünscht habe. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, legt die Formulierung - "ohne weitere Zusatzversicherungen" ebenso wie die Formulierung in dem Schreiben vom 18.6.2007 - "und alle anderen Tarife bitte ausschließen" - nahe, dass alle anderen als die genannten Tarife - darunter auch die Krankentagegeldversicherung - wegfallen sollten.

(4) Bei dieser Sachlage kann der Kläger auch nicht mit Erfolg rügen, das Landgericht habe eine non-liquet-Situation festgestellt, aus der es aber nicht die zutreffenden beweisrechtlichen Folgerungen gezogen habe.

c) Der Kläger kann sich zur Begründung seines Schadensersatzanspruchs schließlich auch nicht darauf berufen, dass er von dem Ausschluss der Krankentagegeldversicherung erst nach seiner Erkrankung im April 2008 erfahren habe, da ihm ein Versicherungsschein über den umgestellten Krankenversicherungsschutz weder durch den Versicherer übersandt, noch von der Beklagten weitergeleitet worden sei.

Letzteres steht allerdings in Widerspruch zu dem Inhalt seines von ihm selbst vorgelegten Schreibens vom 8.5.2008 (Bl. 94 d.A.), wonach er im November/Dezember 2007 einen Nachtrag zum Versicherungsschein über den geänderten Versicherungsschutz erhalten habe. Dessen ungeachtet verpflichtet § 42 d Abs. 1 VVG a.F. den Versicherungsvermittler zwar, dem Versicherungsnehmer die Informationen nach § 42 c Abs. 1 VVG a.F. vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln. Allerdings knüpft § 42 a VVG a.F. an die Verletzung dieser Pflicht keinen Schadensersatzanspruch. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass der Kläger seinen - nachgewiesenermaßen entgegen dem Rat des Zeugen J. getroffenen - Entschluss nach Übersendung der Dokumentation wieder rückgängig gemacht hätte.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. § 713 ZPO ist anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass die Revision nicht zugelassen ist und gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n.F. die Nichtzulassungsbeschwerde für jede der Parteien unzulässig ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

RechtsgebietVVGVorschriften§ 42c VVG § 42e VVG § 61 VVG § 61 Abs. 1 VVG

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