BGH-Urteil zur Nachbearbeitung durch Stornogefahrmitteilung

28.01.2011 Neue Argumentationsmöglichkeiten gegen Provisionsrückforderungen
BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 310/09
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst eine Entscheidung zur Nachbearbeitung notleidender Versiche-rungsverträge durch Stornogefahrmitteilung erlassen.

Die Entscheidung bezieht sich darauf, dass der Anspruch eines Versicherungsvertreters auf die Vermittlungsprovision erst dann entsteht, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie aus der sich die Provision berechnet gezahlt hat (§ 92 Abs. 4 Handelsgesetzbuch - HGB). Zahlt der Versicherungsnehmer die geschuldete Prämie nicht und beruht dies jedoch auf Umständen, für die das Versicherungsunternehmen nicht verantwortlich ist, entfällt der Provisionsanspruch wieder (§ 87a Abs. 3 HGB). Geleistete Vorschüsse auf die Provision sind dann wieder zurückzuzahlen.

Allgemein anerkannt ist, dass die Nichtzahlung der Prämie bzw. die Stornierung eines Versicherungsvertrages von einem Versicherungsunternehmen dann nicht zu verantworten ist, wenn der notleidende Vertrag in ausreichendem Maße "nachbearbeitet" wurde. Zur Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge kann das Versicherungsunternehmen danach entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den Vertrag selbst nachzubearbeiten.

Im Streitfall ist vom Versicherungsunternehmen darzulegen und zu beweisen, dass die Maßnahmen zur Stornoabwehr nach Art und Umfang ausreichend waren. Bei eigenen Maßnahmen zur Stornogefahrabwehr durch das Versicherungsunternehmen, so hat der BGH nunmehr festgestellt, müsse der Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich ermahnt werden. Die bloße Übersendung eines Mahnschreibens reiche hierzu nicht aus.

Ein Versicherungsunternehmen komme seiner Pflicht zur Stornogefahrabwehr daneben in ausreichendem Maße nur dann nach, so die Bundesrichter, wenn es an den Versicherungsvertreter eine Mitteilung sendet, die diesen in die Lage versetzt Stornogefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen. Diese Stornogefahrmitteilung müsse so rechtzeitig an den Versicherungsvertreter gesendet werden, dass bei normalem Verlauf mit deren rechtzeitigem Eingang zu rechnen ist. Übersendet der Versicherer die Stornogefahrmitteilung per Post, so dürfe er nach Ansicht des BGH grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Postsendung ordnungsgemäß befördert und am folgenden Werktag ausgeliefert werde, wenn sie im Bundesgebiet werktags aufgegeben wird. Geht eine Stornogefahrmitteilung ausnahmsweise auf dem Postweg verloren, so sei dies - und damit ebenso das hierauf zurückzuführende und damit unterbliebene Nachbearbeitungsmaßnahme des Versicherungsvertreters - ein Umstand, den der Versicherer nicht zu verantworten habe.

Der BGH hat in der Entscheidung zudem festgestellt, dass die eigentlich nur für Versicherungsvertreter geltende Pflicht zur Stornogefahrmitteilung auch auf Versicherungsmakler entsprechend anzuwenden sei, wenn dieser im Einzelfall genauso schutzwürdig ist wie ein Versicherungsvertreter. Wann dies der Fall ist, hänge von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Es müsse in jedem Falle eine starke Annäherung der Stellung des Maklers an diejenige eines Vertreters vorliegen. Dies sei beispielsweise dann der Fall, so der BGH, wenn der Makler in die Organisationsstruktur eines Versicherers eingebunden ist und sowohl einen Organisationszuschuss als auch ein Bestandspflegegeld erhält.

Rechtsanwalt Dietmar Goerz von der auf Finanzdienstleitungsvertrieb spezialisierten GPC Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH meint, „dass die Entscheidung Versicherungsvermittlern einige Ansatzpunkte eröffnet, sich gegen Provisionsrückforderungen zur Wehr zu setzen“. „Außerdem ist nunmehr geklärt, dass unter bestimmten Voraussetzungen sogar Versicherungsmakler gegen Provisionsrückforderungen erfolgreich ins Feld führen können, dass die Stornogefahrmitteilungen des Versicherers nicht ausreichend waren“, so der Berliner Anwalt.
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